Foto: Michael Orth
Von Kalifornien nach Volterra
Die deutsche Kinder- und Jugendbuchautorin Cornelia Funke lebt mittlerweile in Italien. Nach 16 Jahren in den USA hat sie ihre südkalifornische Avocadofarm in Malibu gegen einen toskanischen Olivenhain auf halber Strecke zwischen Pisa und Siena eingetauscht. Das eine Fleckchen Erde mindestens so sonnig wie das andere – und doch zwei ganz verschiedene Welten: ein großer, mutiger Schritt in einem Lebensabschnitt, in dem viele bereits über Altersteilzeit und Ruhestand nachdenken. Sich neu zu erfinden und seinem Leben noch einmal eine ganz neue Richtung zu geben, erfordert viel Vorstellungskraft und daran mangelt es der Geschichtenerzählerin Cornelia Funke ganz sicher nicht. Wer jemals eines ihrer zahlreichen Bücher gelesen hat, den lassen ihre wunderbaren Geschichten nicht mehr los. Die vielgestaltigen Welten, in die man sich hineindenken kann, sind in ihrer unglaublichen Fülle eine außergewöhnliche Bereicherung.
Von Hamburg nach Venedig
Die Affinität zu Italien, seinen Landschaften und Städten und nicht zuletzt zur italienischen Sprache ist bei Cornelia Funke schon seit langem vorhanden. Einer ihrer ersten Romane „Der Herr der Diebe“ (verfilmt 2006) spielt in Venedig und erzählt die Geschichte von Bo und Prosper, zwei Waisen, die aus Hamburg abhauen und sich in Venedig einer Kinderbande anschließen. In „Tintenherz“ hingegen ist es der fiktive Autor „Fenoglio“, der in Ligurien beheimatet ist. Und spätestens mit der Veröffentlichung von „Il Re dei ladri“ beim italienischen Verlagshaus Mondadori 2004 ist Cornelia Funke allen, die gerne lesen, auch jenseits der Alpen ein Begriff. Ihre neue Wahlheimat scheint daher nur folgerichtig; vielleicht wäre aber auch der Unterschied vom warmen Kalifornien bei einer Rückkehr ins eher kühle Hamburg nach so vielen Jahren einfach zu groß – wer weiß.
Sprache bestimmt unser Bild von der Welt
In der Toskana wartet nicht nur eine neue Umgebung auf die Kinder- und Jugendbuchautorin, sondern auch eine neue Sprache. Und das, was auch uns Übersetzer so fasziniert – dass man sich mit dem Erlernen einer Fremdsprache immer auch eine bis dahin fremde Gedanken- und Erfahrungswelt erschließt, empfindet ein kreativer Kopf wie Cornelia Funke vermutlich ähnlich: Die Wahrnehmung verändert sich, die eigene Perspektive verschiebt sich, der gewohnte Blick auf die Welt wird ein anderer. Die jeweilige Sprache bestimmt das Bewusstsein. Das kann mitunter anstrengend sein, aber die Erfahrung an sich ist immer anregend und inspirierend.
Bücher übersetzen
2020 wurde Cornelia Funke für ihr „Gesamtwerk“ mit dem Sonderpreis des Deutschen Jugendliteraturpreises ausgezeichnet. Ihre Bücher sind mittlerweile in über 70 Sprachen übersetzt – von ebenso vielen Übersetzern und Übersetzerinnen, die mit sehr viel Sprachgefühl, Leidenschaft und Begeisterung Funkes Geschichten den Lesern in ihrer eigenen Kultur-, Sprach- und Gedankenwelt vermitteln – so wie ihre italienische Übersetzerin Roberta Magnaghi beim Verlag Mondadori. Gute Übersetzungen entstehen immer in der Zusammenarbeit zwischen Übersetzer, Autor und Verlag. Ein Konzept, das für die Autorin grundsätzlich wichtig ist: In ihren Büchern gibt es keine Einzelhelden, sondern es sind stets Figuren, die gemeinsam etwas erreichen.
Im Idealfall ist das bei Übersetzern genauso: Man arbeitet gemeinsam an einem Projekt und ist somit nicht nur produktiver, sondern in der Zusammenarbeit wesentlich kreativer.
Tatjana Heckmann
Übersetzerin für Englisch und Italienisch
Ich bin Fachübersetzerin und beschäftige mich beruflich hauptsächlich mit Texten im Bereich Maschinen- und Anlagenbau. Des Weiteren fertige ich als beeidigte Übersetzerin beglaubigte Übersetzungen von Urkunden und Verträgen an.
In der Rubrik et cetera schreibe ich über Themen aus meinem Berufsalltag und über alles, was mich an Sprache und Kultur darüber hinaus interessiert.